Beinvenenthrombose, tiefe (TVT)
Beinvenenthrombose, tiefe (TVT)
Engl: DVT = deep vein thrombosis
Pg: Virchow-Trias (Strömungsverlangsamung, Wandschädigung, Gerinnungsneigung): Strömungsverlangsamung plus Gerinnungsneigung sind für die Entstehung der Phlebothrombose bedeutsam, während die oberflächliche Thrombophlebitis eher durch Strömungsverlangsamung plus Wandschädigung ausgelöst wird.
Risk: - Zirkulationsstörungen: Gipsverband, Flugzeugthrombose, Status varicosis, Rechtsherzinsuffizienz
- Immobilisation (insbes. absolute Bettruhe)
- Freisetzung von Gerinnungsfaktoren: Trauma, Verbrennung
- Östrogene: hormonelle Kontrazeptiva, Gravidität
- maligne Tumoren
- erhöhte Blutviskosität
Urs: - Polyglobulie
- forcierte Diurese
- Thrombozytosen
Bsp: - essentielle Thrombozythämie
Def: chronisch myeloproliferative Erkrankung (neben CML, Polycythaemia vera und Osteomyelosklerose)
- reaktive Thrombozytosen
Bsp: nach Operation, Splenektomie, bei chronischen Entzündungen, Malignomen
- Gerinnungsstörungen
Etlg: - Erniedrigung von: ATIII, Protein C, Protein S, APC-Resistenz, Faktor V Leiden, Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR)
- Erhöhung von: von Willebrand-Faktor (vWF), Faktor VIII, Prothrombin-Polymorphismus (Faktor-II-Mutation)
- Störungen der Fibrinolyse
Vork: selten
Bsp: Mangel an Plasminogen und t-PA, erhöhte Aktivität des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors (PAI)
- Stoffwechselstörungen
Bsp: Homozystinurie
- erworbene Gerinnungsstörungen
Bsp: Antiphospholipid-Ak (insbes. bei SLE)
- familiäre Disposition
- Adipositas
- hohes Alter
Man: - akut
Vork: meist bei ambulanten Pat.
- schleichend
Vork: bei bettlägerigen Pat.
CV: Nur ca. 60% der tiefen Thrombosen lassen sich klinisch erfassen. Mit Aufteten der ersten klinischen Symptome (ca. ab 3. Tag) ist die Zeit der größten Emboliegefahr bereits vorbei. Beginn einer Symptomatik oft erst mit Lungenembolie (aber auch nur 10% der autoptisch gesicherten Lungenembolien wurden klinisch diagnostiziert)
Lok: Becken- und Beinvenenthrombosen sind links häufiger als rechts
Urs: physiologische Enge durch Kreuzung der linken V.iliaca communis von der rechten A. iliaca communis
Folg: - Druckkompression der Vene durch die Arterie bzw. den arteriellen Puls
- zusätzlich reaktive Intimaproliferation der Vene
Note: im Maximalfall Ausbildung eines sog. Venensporns
KL: - Knöchelödem
Man: Beginn in den Bisgaard-Kulissen rechts und links der Achillessehne
Verl: Stauungsödem und Zyanose der gesamten Extremität sind Spätzeichen
- dilatierte oberflächliche Venen, insbes. Pratt-Warnvenen über der Tibiakante
- Anstieg der Herzfrequenz und gelegentlich subfebrile Temperaturen
- Louvel-Zeichen: Schmerzen im Bein beim Husten
- dumpfe Schmerzen in Unter- und Oberschenkel mit Zunahme im Stehen und Sitzen und Schmerzabnahme bei Hochlagerung des Beins
Prüfung auf lokale Symptomatik und Venendruckschmerzpunkte (von kaudal nach kranial):
- Rössle-Zeichen:
Bef: Plantarüberempfindlichkeit
- Deneke-Zeichen:
Bef: Plantarschmerz ohne Druck
- Payr-Zeichen:
Bef: Druckschmerzen in der medialen Plantarmuskulatur
CV: nicht verwechseln mit Payr-Zeichen i.R. der Meniskusdiagnostik
- Bisgaard-Zeichen:
Bef: Kulissendruckschmerz hinter dem Malleolus (Regio calcaneomalleolaris)
- Tschmarke-Zeichen:
Bef: Druckempfindlichkeit der Wade
- Homans-Zeichen:
Bef: Wadenschmerz bei Dorsalextension/Plantarflexion des Fußes (im oberen Sprunggelenk)
- Lowenberg-May-Zeichen:
Bed: sensitivster Test
Bef: frühzeitiger Wadenschmerz bei Aufpumpen einer Blutdruckmanschette um den Unterschenkel
Erg: - Gesunde Personen empfinden bei einem Druck von 160-180 mmHg lediglich eine kräftige Spannung
- Bei Phlebothrombose der Unterschenkelvenen ist die Schmerzschwelle auf einer Seite deutlich erniedrigt (100 mmHg)
- Meyer-Druckpunkte entlang der medialen Tibiakante
- Druckschmerz in der Kniekehle bei Thrombose der V. poplitea
- Druckschmerz im Bereich des Adduktorenkanals
- Rielander-Zeichen:
Bef: Druckschmerz in der Leistenbeuge
So: Phlegmasia coerulea dolens
Def: foudroyant verlaufende Massenthrombose des gesamten Querschnitts der Extremität mit gleichzeitiger Kompression der Lymphgefäße; Maximalform der akuten tiefen Beinvenenthrombose
Pg: Aufgrund des gestiegenen Gewebedruckes kommt es auch zur akuten Störung der arteriellen Perfusion.
KL: Beinödem + Wadenschmerzen + pralle, druckdolente Muskulatur
ferner häufig: kalte, livide Haut (ggf. mit hypoxischer Blasenbildung) bis zur Gangrän, subfebrile Temperaturen, Tachykardie bis Schock
Th: sofortige operative venöse Thrombektomie (primäre Lysetherapie dauert zu lange)
Note: Im Gegensatz zum akuten arteriellen Verschluss lässt sich die Klinik durch Hochlagern und Wickeln des Beins deutlich bessern.
Kopl: - Lungenembolie
KL: - akuter pleuritischer Schmerz
- Hämoptoe (Bluthusten oder -spucken)
- Entwicklung einer sekundären Varikosis bzw. des postthrombotischen Syndroms (CVI)
Urs: Klappendestruktion
Lok: praktisch nur bei Oberschenkelthrombose
Di: - seitenvergleichende Messung von Ober- und Unterschenkelumfang
Erg: Umfangsdifferenzen von mind. 2 cm gelten als pathologisch
- Duplexsonographie oder Kompressionssonographie
Bed: sichere Beurteilbarkeit der proximalen und poplitealen Venen, eingeschränkte Beurteilbarkeit der Unterschenkelvenen
- Phlebographie (aszendierend)
Ind: dringender klinischer Verdacht, insbes. bei Erhärtung durch die Sonographie
Meth: Oberhalb der Malleolen wird eine Stauung angelegt und 40-50 ml Kontrastmittel bei 45°-Kippung des Untersuchungstisches in eine oberflächliche Vene am Fußrücken injiziert. Durch die Stauung wird das Kontrastmittel über die tiefen Beinvenen abgeleitet (und nicht über die oberflächlichen). Der Venenverlauf kann per Durchleuchtung verfolgt werden. Der Tisch wird dann in die Horizontale gekippt, die Stauung gelöst und der Unterschenkel ausgestrichen, wodurch man diagnostisch ausreichende Beckenvenogramme und z. T. sogar Kavogramme erhält. Durch Pressen des Pat. füllt sich die V. saphena retrograd aus der V. femoralis.
Note: Zur Phlebographie bei Varikosis können die oberflächlichen Venen bei horizontaler Lage des Pat. an ihrer tiefsten Stelle direkt punktiert werden.
- weiterführende Diagnostik (insbes. bei V. a. Lungenembolie):
- Blutgasanalyse (BGA)
Erg: pO2 erniedrigt, pCO2 erniedrigt (wg. Hyperventilation bei Lungenembolie)
DD: pO2 normal und pCO2 erniedrigt (bei Hyperventilationstetanie)
- Röntgen-Thorax
Bed: Zeichen für eine Lungenembolie nur in 40% d. F. bei Vorliegen dieser Komplikation
Bef: - gestaute A. pulmonalis
- Westermark-Zeichen: lokale Aufhellungen
- umschriebene, evtl. dreieckige Verschattung
Urs: Lungeninfarkt
- Ekg
Bef: - Sinustachykardie (am häufigsten)
- SIQIII-Typ plus ST-Senkung in I und nach oben konvexe ST-Hebung in III
Def: Ausdruck einer Veränderung des Lagetyps zum Rechtstyp oder Sagittaltyp
Syn: McGinn-White-Syndrom
DD: - von SI: Rechtsschenkelblock
CV: keine ST-Senkung in I (i. G. zur Lungenembolie)
- von Q III: Herzinfarkt, insbes. Hinterwandinfarkt
Di: große R-Zacke ist beim Herzinfarkt nicht nur in III, sondern auch in II und aVF nachweisbar
CV: keine konvexbogige ST-Hebung (i. G. zur Lungenembolie)
- Rechtshypertrophie mit Sokolow-Index von mind. 1,05 mV
- P dextrocardiale
- Rechtsschenkelblock
- Verschiebung des R/S-Umschlags nach links (S-Zacke bis V5 oder V6)
- Repolarisationsstörungen in den rechtspräcordialen Wilson-Ableitungen
Note: Im Rahmen chronisch rezidivierender Lungenembolien kommt es meist zu deutlich höheren rechtsventrikulären Drucksteigerungen als bei einer akuten erstmaligen Lungenembolie
- Lungenperfusionsszintigraphie
- MRT
Ind: Thrombosenachweis im Becken oder Abdomen
Lab: - D-Dimere (Fibrinspaltprodukte)
Erg: < 500 Mikrogramm/l schließt eine akute Thrombembolie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus.
Bed: hohe Sensitivität, aber niedrige Spezifität (d. h. aus erhöhten Blutwerten kann nicht auf eine TVT geschlossen werden)
Erkl: Trauma, SS, Entzündungen u. a. können eine D-Dimer-Erhöhung bewirken
Meth: - ELISA
- Bedside-Test
Bsp: Simply Red®
- Blutbild mit Thrombozytenzahl
- BGA
Ind: insbes. zum Ausschluss einer Lungenembolie
- ATIII, Protein C, Protein S, Faktor-V-Leiden, Homozystein, vWF, Faktor VIII, Prothrombin-Polymorphismus (Faktor-II-Mutation), Methylentetrahydrofolat-Reduktase
- Antiphospholipid-Ak (Lupus-Antikoagulans und Anticardiolipin-Ak)
DD: Lymphödem
KL: - nicht druckschmerzhafte Schwellung
- Schwellung auch der Zehen
Prop: - Diät bzw. Gewichtsreduktion
- Frühmobilisierung nach Operation, Hochlagerung der Beine, Krankengymnastik
- Antithrombose-Strümpfe
- Low-dose-Heparinisierung bei Risikopatienten
Th: Verweis auf die aktuelle Fachliteratur bzw. ensprechende Leitlinien