Dermatitis herpetiformis Duhring-Brocq (DH)
Dermatitis herpetiformis Duhring-Brocq (DH)
Syn: Morbus Duhring
Def: polymorphe, subepidermal bullöse Autoimmundermatose bei (oft asymptomatischer) glutensensitiver Enteropathie = einheimische Sprue = Zöliakie im Sinne einer kutanen Komplikation bzw. eines Epiphänomens
Note: Dennoch besitzt die DH eine Eigenstellung, da sie im Gegensatz zur Darmerkrankung selten ist, häufiger bei Männern vorkommt, sich i. d. R. erst im Erwachsenenalter manifestiert, wellenförmig statt kontinuierlich verläuft und durch Dapson therapierbar ist.
Note: Gluten = Klebereiweiß; wichtigste Glutenfraktion: Gliadin
Histr: Erstbeschreibung durch Louis Duhring (1845-1913), Philadelphia (USA) [From Wellcome Images, Copyrighted work available under ©]
Vork: Männer überwiegen Frauen = 2/1
Ass: Etwa 75%-100% d. F. mit Dermatitis herpetiformis zeigen histologische Zeichen der Zöliakie, aber nur wenige Pat. zeigen klinische Symptome der Malabsorption, d. h. die gastroenterologische Klinik von Pat. mit DH ist im Allgemeinen wesentlich milder als bei Pat. mit isolierter Zöliakie.
Ät: Nahrungsmittelallergie
Gen: Häufung von HLA-B8, HLA-DR3, HLA-DR7, HLA-DQ2, HLA-DQ8
Vork: jeweilige (hochsignifikante) Assoziation von bis zu 90%
Pg: Die Pathophysiologie bei der Sprue wird durch folgendes Modell erklärt: Glutenreiche Nahrung führt zur Präsentation von Gluten-Peptiden durch spezifische, HLA-DQ2- und DQ8-positive APC. Hierdurch kommt es zur Produktion von polyklonalem IgA in der Lamina propria des Dünndarms mit potentieller Ablagerung in den kutanen Papillenspitzen. Eine mögliche Potenzierung der Antigenpräsentation ergibt sich durch Umbau oder Cross-linking der Gluten-Peptide durch die Gewebstransglutaminase, die durch Entzündungsreaktionen freigesetzt wird. Hochaffine IgA gegen Transglutaminasen bilden mit der für die Dermatitis herpetiformis entscheidenden epidermalen Transglutaminase Immunkomplexe, die sowohl zirkulieren können als auch in läsionaler wie in nicht-läsionaler Haut immunhistologisch nachweisbar sind. Es folgt die Induktion einer Th2-dominierten Entzündungsreaktion mit Aktivierung des Komplementsystems, Infiltration von Neutrophilen (und anderen Entzündungszellen) und Freisetzung von Proteasen. In der Haut kommt es schließlich Ablösung der Epidermis vom Korium und zur subepidermalen Blasenbildung.
Ass: Jodunverträglichkeit (z. B. Seefisch oder Meeresalgen als Nahrungsergänzungsmittel oder jodhaltige Kontrastmittel) im Sinne eines Triggerfaktors: Provokation oder Verschlechterung der Krankheit
Lit: - JAAD Case Rep. 2019 Aug 5;5(8):713-714
- J Eur Acad Dermatol Venereol. 2021 Dec 11. http://doi.org/10.1111/jdv.17860
Note: Im Gegensatz zum Pemphigus vulgaris und bullösen Pemphigoid ist der M. Duhring durch das polymorphe Bild gekennzeichnet von erythematösen, papulösen, vesikulösen, urtikariellen, erosiven und krustösen Effloreszenzen in gruppierter Anordnung.
KL: - initial
Bef: erythematöse Papeln oder urtikarielle Plaques, an deren Rändern sich herpetiform gruppierte klare Bläschen entwickeln 5
- selten
Bef: - ekzematöse Hautveränderungen, auf denen sich größere Blasen entwickeln (ähnlich wie beim bullösen Pemphigoid)
- akrale Petechien
Lit: JAAD Case Rep. 2020 Jul 28;6(9):935-938
- Hautveränderungen i. d. R. auffallend symmetrisch
- starker Juckreiz bis Brennen (Leitsymptomcharakter)
Lok: - Prädilektionsstellen: Extremitätenstreckseiten, Iliosakralregion und oberer Rücken, Abdomen (seltener: Gesicht)
Di: - Jejunumbiopsie
Bef: - intraepitheliale Lymphozyteninfiltration (100%; Lamina propria)
- Zottenatrophie (90%)
- Kryptenhyperplasie
Note: Die Titerhöhe von IgA gegen die Gewebstransglutaminase soll mit dem Ausmaß der jejunalen Mukosaveränderungen korrelieren.
Lit: J Am Acad Dermatol 1999; 41: 957-61
- Hautbiopsien
Meth: - Histologie von läsionaler Haut:
Bef: - Neutrophile und eosinophile Mikroabszesse in den Papillenspitzen sind histologisches Leitsymptom und zeigen i. d. R. Leukozytoklasie mit Karyorrhexis.
Note: Neutrophile Abszesse in den Papillenspitzen finden sich auch beim bullösen Lupus erythematodes.
Exp: Neutrophile von Pat. mit aktiver DH zeigen eine erhöhte Expression von CD11b, eine erniedrigte Expression von L-Selektin und eine erhöhte Fähigkeit zur Bindung von IgA.
Lit: Br J Dermatol 2002; 147: 1109-17
- subepidermale Blasenbildung mit Beginn an den Papillenspitzen und später auch an den Spitzen der Reteleisten
- direkte Immunfluoreszenz von periläsionaler, nicht-entzündeter Haut:
Note: Die sorgfältige Auswahl einer geeigneten Biopsiestelle ist von großer diagnostischer Bedeutung, da die Rate falsch-negativer Ergebnisse in der DIF steigt, wenn periläsionale erythematöse Haut biopsiert wurde oder nicht-betroffene Haut, die mehr als 4 cm von einer aktiven Läsion lag, oder nichtbetroffene Haut einer völlig normal erscheinenden Körperregion.
Erg: - i. d. R. subepidermale granuläre Ablagerungen von IgA und C3 in den Papillenspitzen ("schneegestöberartig")
Histr: Erstbeschreibung durch van der Meer, 1969
Note: Eine positive DIF findet sich auch in klinisch unbefallener Haut
- selten gemischt linear-granuläre oder rein lineare IgA-Ablagerungen
DD: Bei anderen bullösen Dermatosen findet man zusätzlich IgG-Ablagerungen.
- Jodprobe
Meth: Applikation einer 30%igen Jodsalbe über 1-2 Tage
Erg: Induktion typischer Hautveränderungen
- Blut
- Eosinophilie
- Serum
Meth: indirekte Immunfluoreszenz (Substrat: Rattenösophagus) oder ELISA
- epidermale Transglutaminase
Bed: Leitallergen im Endomysium mit 6 Isoenzymen in der Haut
- Antiendomysium-Ak bzw. Anti-tTG (anti-tissue transglutaminase)
Vork: 80% d. F.
Note: sehr viel höhere Spiegel bei Sprue-Pat. als bei Pat. mit DH
AG: Gewebstransglutaminase
Histr: Erstbeschreibung durch Schuppan, 1997
Allg: Diese wird auch als Transglutaminase-2 bezeichnet, während die Keratinozytentransglutaminase als Transglutaminase-1 definiert wurde (die bei der autosomal-rezessiven lamellären Ichthyose mutiert ist).
Eig: zytoplasmatisches, kalziumabhängiges Enzym mit Gliadin als möglichem Substrat, wodurch verschiedene Gliadin-Moleküle als auch Gliadin mit anderen Proteinen vernetzt werden
Wirk: In der Haut ist die Gewebstransglutaminase an der Quervernetzung von Kollagen VII der Verankerungsfibrillen im Stratum papillare beteiligt.
- Antigliadin-IgA
Vork: 66% d. F., auch als Immunkomplexe nach Exposition nachweisbar
- Antiretikulin-Ak (ARA)
- HLA-Typisierung
- Anamnese von subjektiven Darmsymptomen (nicht obligat vorhanden)
Ass: - Kryofibrinogenämie
Lit: J Eur Acad Dermatol Venereol. 2014 Dec 10. http://doi.org/10.1111/jdv.12913 (Ungarn)
- reduzierte Fibrinolyse (besserbar durch Dapson)
Lit: J Dermatol Sci. 2016 Jul 6. pii: S0923-1811(16)30151-7 (Ungarn)
DD: vor allem bullöses Pemphigoid, Erythema exsudativum multiforme und bullöser SLE
Kopl: T-Zell-Lymphom des Dünndarms als seltene Spätkomplikation
Prog: - i. d. R. lebenslange Erkrankung
- glutenfreie Diät kann bedingt Remissionsphasen verlängern bzw. die Dapsondosis erniedrigen
Th: - glutenfreie und jodarme Diät
Meth: erlaubt: Kartoffeln, Mais, Reis, Sojabohnen;
verboten: (Hafer), Weizen, Gerste, Roggen, Jodsalz, Seefische, jodhaltige Medikamente
Note: Hafer soll nach neueren Studien unbedenklich sein und der Diät hinzugefügt werden dürfen.
Prog: Latenzzeit von mehreren Monaten bis Jahren bis zur Remission der Hautveränderungen (lange Persistenz der IgA-Ablagerungen)
Bed: Basistherapie
Co: Substitutionstherapie von Eisen, Vit. B12, Folsäure, Vit. D
- Dapson
Bed: GS; schnelles Ansprechen innerhalb weniger Tage auf Dapson bestätigt die Verdachtsdiagnose; Dapson-Gabe besitzt diagnostische und therapeutische Indikation
Dos: 50-200 mg/Tag
Wirk: - Bekämpfung des Juckreizes innerhalb von wenigen Stunden
Pos: Antihistaminika entfallen
- dramatische Besserung der Hautveränderungen schon bald nach Nachlassen des Pruritus
CV: Die Hautveränderungen kehren 2-3 Tage nach Auslassversuch zurück.
So: Dapson 5% Gel topisch
Lit: J Cutan Med Surg. 2016 May 18. pii: 1203475416651053 (Kanada)
Altn: - Sulfapyridin
Dos: 2x500 mg/Tag (Dosiserhöhung um 500-1000 mg alle 1-2 Wochen bis max. 4 g/Tag)
Altn: Sulfasalazin
- Colchicin
Ind: Sulfonamidintoleranz
Dos: 3x0,5 mg/Tag
- weitere Einzelsubstanzen:
Stoff: - Cholestyramin
Lit: Br J Dermatol 1980; 103: 663-6
- Heparin, Tetracyclin, Nicotinsäureamid
Lit: Clin Exp Dermatol 2000; 25: 204-5
- Steroide
Appl: - oral
Ind: hochakuter bzw. schwerer Verlauf
Altn: Cyclosporin A
- topisch
Co: lokale Antipruriginosa
Bsp: Polidocanol
Rp: Polidocanol-600-Zinkoxidschüttelmixtur 3%, 5% oder 10% (weiß/hautfarben) NRF 11.66
S: vor Gebrauch schütteln, Auftragen mit Pinsel, Hautreinigug mit Olivenöl
- Antihistaminika
Ind: symptomatisch gegen den Juckreiz
Appl: oral
- Rituximab
Lit: JAMA Dermatol. 2016 Dec 28. http://doi.org/10.1001/jamadermatol.2016.4676 (USA)
CR: CR (Erstbeschreibung bei ansonsten therapieresistentem Pat.)
- Tofacitinib