Histaminintoleranz

Zuletzt geändert von Thomas Brinkmeier am 2025/12/01 20:25

Histaminintoleranz

Syn: Histaminunverträglichkeit

Engl: Histamine intolerance

Histr: Hippokrates von Kos beschrieb schon vor etwa 2400 Jahren Symptome einer Histaminunverträglichkeit nach Verzehr großer Mengen Käse; klinisches Konzept seit den 1990er-Jahren beschrieben, pathophysiologische Mechanismen weiterhin Gegenstand der Forschung

Def: Klinisches Syndrom mit unspezifischen Beschwerden durch ein Ungleichgewicht zwischen aufgenommenem oder freigesetztem Histamin und der individuellen Abbaukapazität, insbesondere über Diaminoxidase

Ät: Verschiedene Ursachen (auch in Kombination) können vorliegen:

- Überangebot von Histamin

- Mangel der hepatischen Methyltransferasen, die das resorbierte Histamin abbauen

Allg: Nach Degranulation von Mastzellen und/oder Basophilen wird ca. 90% des extrazellulären Histamins innerhalb von Minuten durch die N-Methyltransferase zu N-Methylhistamin abgebaut. Letzteres wird weiter über eine Monoaminooxidase zu N-Metyhlimidazolessigsäure verstoffwechselt.

- Mangel der enteralen Diaminooxidase (angeboren oder erworben)

Allg: Der Histaminabbau über die Diaminooxidase stellt einen alternativen Metabolisierungsweg zu o.g. Enzym dar.

Pg: Erhöhte Histaminspiegel führen zu vasodilatatorischen, stimulierenden und inflammatorischen Reaktionen über H1- bis H4-Rezeptoren

TF: Histaminreiche Nahrungsmittel, Alkohol, DAO-hemmende Medikamente

Bsp: Einige Medikamente blockieren die Diaminooxidase: Acetylcystein (z. B. ACC®), Ambroxol (z. B. Mucosolvan®), Aminophyllin (z. B. Euphyllin®), Amitriptylin (z. B. Saroten®), Metamizol (z. B. Novalgin®), Metoclopramid (z. B. Paspertin®), Verapamil (z. B. Isoptin®), Propafenon (z. B. Rhythmonorm®), Isoniazid (z. B. INH), Clavulansäure (z. B. Augmentan®), Chloroquin (z. B. Resochin®)

Vork: - Prävalenz von ca. 1% (Datenlage aber unscharf aufgrund fehlender standardisierter Diagnostik)

- Frauen überwiegen Männer = 80%/20%

- meist Pat. in der 4. Lebensdekade

KL: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Flush, Bronchospasmen, Rhinitis, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie/Hypotonie, Exantheme (oft urtikariell), Flush, Pruritus

Di: - Histaminspiegel erhöht, Diaminooxidase-Spiegel erniedrigt, Vit.-B6-Spiegel erniedrigt

CV: Labordiagnostik aufgrund fehlender Standardisierung schwierig

- ggf. Provokation mit verdächtigen Nahrungsmitteln und anschließende Bestimmung o.g. Laborwerte

So: Weinprovokationstest (Rotweintest) mit Lungenfunktionsprüfung vorher und nachher

- Histamin-Release-Test/Basophilendegranulationstest (in vitro)

Prog: Variabler Verlauf, häufig symptomkontrollierbar durch Diätanpassung

Prop: Vermeidung histaminreicher Nahrungsmittel, Alkoholreduktion

DD: Mastzellerkrankungen, Nahrungsmittelallergien, chronische Urtikaria, Intoleranzen wie Laktose- oder Fruktosemalabsorption

Th: - histaminfreie Diät

Def: Verzicht auf Alkohol, Käse, Schokolade, Rohwürste (z. B. Salami), Nüsse, Tomaten, Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Ananas, Kiwi, Sauerkraut, Spinat, Fisch, Essig

Note: ggf. Schulung durch Diätassistenten/Ernährungstherapeuten

- Antihistaminika als "Prämedikation" 30-60 min vor dem Essen

  

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