Histaminintoleranz
Histaminintoleranz
Syn: Histaminunverträglichkeit
Engl: Histamine intolerance
Histr: Hippokrates von Kos beschrieb schon vor etwa 2400 Jahren Symptome einer Histaminunverträglichkeit nach Verzehr großer Mengen Käse; klinisches Konzept seit den 1990er-Jahren beschrieben, pathophysiologische Mechanismen weiterhin Gegenstand der Forschung
Def: Klinisches Syndrom mit unspezifischen Beschwerden durch ein Ungleichgewicht zwischen aufgenommenem oder freigesetztem Histamin und der individuellen Abbaukapazität, insbesondere über Diaminoxidase
Ät: Verschiedene Ursachen (auch in Kombination) können vorliegen:
- Überangebot von Histamin
- Mangel der hepatischen Methyltransferasen, die das resorbierte Histamin abbauen
Allg: Nach Degranulation von Mastzellen und/oder Basophilen wird ca. 90% des extrazellulären Histamins innerhalb von Minuten durch die N-Methyltransferase zu N-Methylhistamin abgebaut. Letzteres wird weiter über eine Monoaminooxidase zu N-Metyhlimidazolessigsäure verstoffwechselt.
- Mangel der enteralen Diaminooxidase (angeboren oder erworben)
Allg: Der Histaminabbau über die Diaminooxidase stellt einen alternativen Metabolisierungsweg zu o.g. Enzym dar.
Pg: Erhöhte Histaminspiegel führen zu vasodilatatorischen, stimulierenden und inflammatorischen Reaktionen über H1- bis H4-Rezeptoren
TF: Histaminreiche Nahrungsmittel, Alkohol, DAO-hemmende Medikamente
Bsp: Einige Medikamente blockieren die Diaminooxidase: Acetylcystein (z. B. ACC®), Ambroxol (z. B. Mucosolvan®), Aminophyllin (z. B. Euphyllin®), Amitriptylin (z. B. Saroten®), Metamizol (z. B. Novalgin®), Metoclopramid (z. B. Paspertin®), Verapamil (z. B. Isoptin®), Propafenon (z. B. Rhythmonorm®), Isoniazid (z. B. INH), Clavulansäure (z. B. Augmentan®), Chloroquin (z. B. Resochin®)
Vork: - Prävalenz von ca. 1% (Datenlage aber unscharf aufgrund fehlender standardisierter Diagnostik)
- Frauen überwiegen Männer = 80%/20%
- meist Pat. in der 4. Lebensdekade
KL: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Flush, Bronchospasmen, Rhinitis, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie/Hypotonie, Exantheme (oft urtikariell), Flush, Pruritus
Di: - Histaminspiegel erhöht, Diaminooxidase-Spiegel erniedrigt, Vit.-B6-Spiegel erniedrigt
CV: Labordiagnostik aufgrund fehlender Standardisierung schwierig
- ggf. Provokation mit verdächtigen Nahrungsmitteln und anschließende Bestimmung o.g. Laborwerte
So: Weinprovokationstest (Rotweintest) mit Lungenfunktionsprüfung vorher und nachher
- Histamin-Release-Test/Basophilendegranulationstest (in vitro)
Prog: Variabler Verlauf, häufig symptomkontrollierbar durch Diätanpassung
Prop: Vermeidung histaminreicher Nahrungsmittel, Alkoholreduktion
DD: Mastzellerkrankungen, Nahrungsmittelallergien, chronische Urtikaria, Intoleranzen wie Laktose- oder Fruktosemalabsorption
Th: - histaminfreie Diät
Def: Verzicht auf Alkohol, Käse, Schokolade, Rohwürste (z. B. Salami), Nüsse, Tomaten, Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Ananas, Kiwi, Sauerkraut, Spinat, Fisch, Essig
Note: ggf. Schulung durch Diätassistenten/Ernährungstherapeuten
- Antihistaminika als "Prämedikation" 30-60 min vor dem Essen