Lymphogranuloma inguinale
Lymphogranuloma inguinale
Syn: Lymphogranuloma venereum, Nicolas-Favre-Krankheit
Engl: Lymphogranuloma venereum
Def: Sexuell übertragene Infektion durch invasive Serovare L1-L3 von Chlamydia trachomatis, charakterisiert durch initiale genitale Ulzeration, nachfolgende schmerzhafte inguinale Lymphadenitis (Bubo) und potenziell chronisch-destruktive Genitalmanifestationen
Histr: Erstbeschreibung 1833 durch Wallace; 1913 durch Nicolas und Favre als eigenständige chlamydiale Erkrankung identifiziert; seit den 2000er‑Jahren Wiederanstieg in Europa bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben.
Vork: Endemisch in tropischen und subtropischen Regionen; in Industrieländern gehäuft in MSM-Netzwerken mit HIV-Koinfektion; jährliche Inzidenz in Europa < 1 : 100 000.
Err: Chlamydia trachomatis, Serovare L1, L2, L2b (am häufigsten in Europa; molekular differenziert seltener auch L2a, L2c), L3; obligat intrazelluläres Bakterium mit biphasischem Entwicklungszyklus (Elementarkörperchen ↔ Retikularkörperchen).
Risk: Ungeschützter Anal- oder Genitalverkehr, multiple Sexualpartner, HIV-Infektion, vorbestehende STI, MSM-Netzwerke
Inf: Übertragung durch direkten sexuellen Kontakt (vaginal, anal, oral); Eintritt der Bakterien über Mikrotraumen in der Schleimhaut → Invasion in lokale Lymphgefäße → lymphogene Dissemination → granulomatöse Entzündung
Verl: 1. Primärläsion: kleine, meist unbemerkte Ulzeration an Eintrittsstelle; 2. Sekundärstadium: schmerzhafte, ein- oder beidseitige inguinale Lymphknotenschwellung mit Bubo‑Bildung; 3. Tertiärstadium: chronische Lymphangitis, Fistelbildung, narbige Fibrose, Elephantiasis genitalis.
KL: Primärläsion: kleine, schmerzlose Papuloulzeration an Genitalien oder Anus. Sekundär: schmerzhafte, derbe inguinale Lymphadenitis ("Bubo"), evtl. mit Fistelbildung. Tertiär: Lymphstauung, narbige Fibrosierung, Elephantiasis genitalis, rektale Stenosen (bei proktokolitisartiger Form).
Lok: Genitalregion, Anus, Rektum, inguinale Lymphknoten; selten disseminierte Organbeteiligung (z. B. Hepatitis, Arthritis).
Di: Nukleinsäureamplifikationstest (NAAT) aus Abstrichen, Lymphknotenaspirat oder Biopsat; PCR-Subtypisierung zur Differenzierung der Serovare L1-L3; serologische Bestätigung ergänzend möglich
Lab: NAAT/PCR aus genitalen, rektalen oder Lymphknotenproben; Chlamydia-IgM-/IgG-Titer ansteigend; HIV-, Syphilis-, Hepatitis-Testung obligat
Hi: Granulomatöse Entzündung mit zentraler Nekrose, Riesenzellen, Lymphangitis, perivaskulären Plasmazellinfiltraten; in späteren Stadien Fibrose und Lymphstauung
Ass: HIV-Infektion, Syphilis, Gonorrhoe, Hepatitis C, andere STI
So: disseminierte Manifestation; chronisch‑fibrosierende Verlaufsformen möglich
DD: Ulcus molle (Haemophilus ducreyi), primäre Syphilis, Herpes genitalis, Granuloma inguinale (Klebsiella granulomatis, früher Calymmatobacterium granulomatis), tuberkulöse Lymphadenitis, Karzinommetastasen
Prog: Bei adäquater Therapie vollständige Heilung; unbehandelt chronisch-destruktiver Verlauf mit Lymphstauung, Fistelbildung, Elephantiasis
Prop: Safer-Sex-Praktiken, Screening bei MSM und HIV-positiven Personen, frühzeitige Diagnostik bei proktitischen Symptomen, Partnerbehandlung
Th: Antibiotikatherapie: Doxycyclin 100 mg 2x täglich über 21 Tage (alternativ Erythromycin 500 mg 4x täglich für 21 Tage); bei komplizierten Verläufen Drainage von Bubonen; Partnerdiagnostik und -therapie obligatorisch; HIV-Testung und Präventionsberatung