Mastozytose, systemische
Mastozytose, systemische
Def: Mastzellproliferation in mehreren (inneren) Organsystemen mit Vergrößerung der Organe (z.B. Lymphknoten, Milz, Leber) ohne Funktionseinschränkung (B-Findings) oder mit Funktionseinschränkung (C-Findings, z.B. Zytopenie, Hypalbuminämie, portale Hypertension, Malabsorption)
Etlg: WHO-Diagnosekriterien 2022
Def: - Hauptkriterium
Bef: Histologischer Nachweis multifokaler, kompakter Infiltrate aus Mastzellen (mind. 15) im Knochenmark oder in einem anderen extrakutanen Organ
- Nebenkriterien
Bef: - Nachweis atypischer spindelförmiger Mastzellen (mind. 25% aller Mastzellen): histologisch im Knochenmark oder anderen extrakutanen Organen
- Nachweis einer KIT-Punktmutation (v.a. D816V) im peripheren Blut, Knochenmark oder anderen extrakutanen Organen
- Nachweis der Oberflächenmarker CD2 und/oder CD30 und/oder CD25 auf Mastzellen im Knochenmark, im peripheren Blut oder in einem anderen extrakutanen Organ
- Serum-Tryptase-Spiegel persistierend über 20 ng/ml
DD: hereditäre (autosomal dominante) alpha-Tryptasämie
Bef: Serum-Tryptase aufgrund erblich bedingter Amplifikation des Gens, das für alpha-Tryptase kodiert
KL: allergische Symptome und Anaphylaxien gehäuft
Int: Zur Diagnosestellung der systemischen Mastozytose müssen entweder das Hauptkriterium und mindestens 1 von 4 Nebenkriterien oder alternativ 3 Nebenkriterien erfüllt sein.
Note: Hautveränderungen nur in ca. 50% d. F.
Bef: meist Flush und Pruritus
Vork: Kinder überwiegen Erwachsene
Gen: z. T. somatische Mutationen des c-KIT Proto-Oncogens auf Chromosom 4 mit anschließender Überproduktion des Proteinprodukts KIT (Tyrosinkinaserezeptor), das die Mastzellproliferation fördert und die Apoptose neoplastischer Mastzellen hemmt.
Etlg: - nicht fortgeschrittene systemische Mastozytose
Engl: non advanced systemic mastocytosis
Eig: wenig organinvasiv
Etlg: - indolente systemische Mastozytose
- Bone Marrow Mastozytose
- smoldering systemische Mastozytose
- fortgeschrittene systemische Mastozytose
Engl: advanced systemic mastocytosis
Gen: Bei 60-80% der Patienten sind neben der KIT D816V-Mutation weitere somatische Mutationen nachweisbar.
Eig: stark organinvasiv
Etlg: - aggressive systemische Mastozytose
- systemische Mastozytose mit assoziierter hämatologischer Neoplasie
Vork: häufigste Variante (ca. 60-80% d.F. fortgeschrittener systemischer Mastozytose)
Ät: in > 95% der Fälle myeloischen Ursprungs (z.B. myelodysplastisches Syndrom)
- Mastzell-Leukämie
Di: Bei Vorliegen von histamin- oder heparinbedingten Symptomen oder bei Auftreten einer kutanen Mastozytose im Erwachsenenalter sollte eine Untersuchung aller Organe erfolgen, die bei Mastozytose infiltriert sein können:
- GI-Trakt
Meth: Gastroskopie, Magendarmpassage als Doppelkontrast-Röntgen
KL: Nausea, Emesis, Diarrhoe, GI-Ulzera, Malabsorption
- Knochen
Meth: - Röntgen und Knochen-Technetium-Scan
- Beckenkammbiopsie
Bef: - > 25% Mastzellen
- c-KIT-positive Mastzellen
- Expression von CD2 und CD25 auf c-KIT-positiven Mastzellen
Note: Dieselben Kriterien gelten auch für Biopsien aus anderen Geweben
KL: Knochenschmerzen
Bef: diffuse Osteoporose, Osteolysen, Infiltration des Knochenmarks bis hin zur Osteosklerose, Panzytopenie
- Leber/Milz
Meth: Abdomensonographie
Bef: fibrosierende Hepatosplenomegalie
Lab: - Blutbild (Eosinophilie, Leukozytose, Anämie)
- Mastzellentryptase im Serum erhöht
Bef: > 20 ng/ml
CV: erhöht bei Adipositas, hohem Lebensalter, Niereninsuffizienz, hereditärer alpha-Tryptasämie
- N-Methylhistamin im Urin erhöht, N-Methylimidazolessigsäure (Histaminmetabolit) erhöht
Bef: mind. 300 Mikromol/mol Kreatinin
Bed: Indikator für Knochenmarksbefall bei systemischer Mastozytose
Lit: Clin Exp Dermatol 2002; 27: 502-6
Kopl: massive lebensbedrohliche Hypotonie aufgrund von Mastzelldegranulation
Risk: kongenitale bullöse Mastozytose
Ass: - myeloproliferative Erkrankungen
Bsp: myelodysplastisches Syndrom, Mastzellenleukämie, akute myeloische Leukämie (AML)
- maligne Lymphome
DD: APUDome (Karzinoid, Insulinom)
Th: - indolente systemische Mastozytose
- Glukokortikoide
Ind: systemische Applikation nur kurzfristig im Akutfall
- Antihistaminika
Etlg: - H1-Blocker
Ind: v. a. kutane Symptome
Co: PUVA
- H2-Blocker
Ind: insbes. GI-Symptome
- Mastzellstabilisatoren
Etlg: - Ketotifen
Dos: 1 mg/Tag, max. 2x2 mg/Tag
Ind: kutane Symptome mit Therapieresistenz gegenüber Antihistaminika
- Cromoglicinsäure (DNCG)
OTC: Colimune® 200 mg Sachets
Dos: 4x/Tag 200 mg, jeweils 30 min vor den Mahlzeiten
Ind: insbes. GI-Symptome
- Osteoporose-Prophylaxe
- aggressive systemische Mastozytose
- IFN-alpha
CV: seit 2020 nicht mehr verfügbar
EbM: CS
Dos: 3x/Woche 1-10 Mio. I.E. s.c.
Co: - Glukokortikoide
Vor: keine Osteoporose
- Kalzium und/oder Bisphosphonate bei Osteoporose
- Chemotherapie
Stoff: z. B. Cladribin
Lit: N Engl J Med 2001; 344: 307-9
Ind: IFN-refraktäre Formen
Co: (fakultativ) nachfolgende allogene Stammzell-Transplantation
Ind: Assoziation mit myeloproliferativen Erkrankungen
- zielgerichtete Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren
EX: - Imatinib
IND: nur bei KIT D816 negativen Patienten
Note: Die häufigste c-KIT-Mutation bei systemischer Mastozytose scheint resistent gegenüber Imatinib zu sein.
- Midostaurin
IND: unabhängig vom KIT-Status
- Avapritinib
IND: unabhängig vom KIT-Status
- Behandlung assoziierter myeloproliferativer bzw. maligner Grunderkrankungen
Co: - Splenektomie
- Stammzellentransplantation
Ind: insbes. bei jüngeren Pat.
CV: Rezeptur eines Notfallsets mit oralen Glukokortikoiden, Antihistaminika und einem Adrenalin-Spray bzw. -Injektor