Insektengiftallergie
Insektengiftallergie
Syn: Bienen- und Wespengiftallergie
Def: Sofortallergie (Typ I)
Vork: 0,8-5,0% der Bevölkerung mit systemischen Hypersensitivitätsreaktionen
KL: - Haut: Pruritus, Flush, Urtikaria, Quincke-Ödem
- Respirationstrakt: Rhinorrhoe, Dyspnoe, Bronchospasmus, Zyanose, Atemstillstand
- GI-Trakt: Nausea, Emesis, Defäkation
- Herz-Kreislauf-System: Tachykardie, Hypotonie, Schock, Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Stillstand
Etlg: s. Schweregradskala (Typen I-IV) zur Klassifizierung der Anaphylaxie
DD: - psychovegetative Reaktion
KL: meist Schweißausbruch, Schwächegefühl und Herzklopfen
Man: bereits wenige Sekunden nach dem Stichereignis
- Serumkrankheits-artige Reaktion
KL: Vaskulitis, thrombozytopenische Purpura, unspezifische Dermatitis, Neuropathie, Nephropathie
Man: nach mehreren Stunden bis Tagen nach dem Stichereignis
- pseudoallergische Reaktion
AG: - Bienengift der Honigbiene (Apis mellifera)
Inh: Mellitin, Phospholipase A, saure Phosphatase, Hyaluronidase
CV: Dominierende IgE-Sensibilisierung gegen Api m 10 soll ein Risikofaktor für Therapieversager der Immuntherapie sein.
Lit: J Allergy Clin Immunol. 2016 May 24. pii: S0091-6749(16)30354-2
- Wespengift der Faltenwespe (Vespula vulgaris/Vespula germanica)
Inh: Phospholipase A und B, saure Phosphatase, Hyaluronidase
Note: - Echte Kreuzallergien zwischen Bienen- und Wespengift sind mit nur ca. 10% d. F. relativ selten; häufiger sind diese jedoch zwischen Biene und Hummel sowie zwischen Wespe und Hornisse.
- Häufiger finden sich (im Hauttest) Mehrfachsensibilisierungen gegenüber sowohl Bienengift als auch Wespengift.
Di: - Prick- und Intrakutantests in ansteigenden Konzentrationen (Schwellenbestimmung)
Dos: - Pricktest: 0,1 Mikrogramm, 1,0 Mikrogram, 10 Mikrogramm, 100 Mikrogramm
- i.c.-Test: 0,1 bis 1,0 Mikrogramm/ml
Note: Bei höheren Testkonzentrationen des Giftes nehmen die unspezifischen Reaktionen durch den Histamingehalt zu.
Ind: möglichst zeitnah, frühestens jedoch 2 Wochen nach dem letzten Stichereignis
Altn: 2 Hauttestungen: unmittelbar nach dem Stich und nach 4-6 Wochen
CV: Bei anamnestisch schweren Stichreaktionen sollten die Hauttestungen stationär mit Überwachung bis zum nächsten Tag erfolgen.
- Labor
Meth: Bestimmung von Gesamt-IgE und spezifischen IgE für Bienen- und Wespengift
Ind: möglichst zeitnah, frühestens jedoch 2 Wochen nach dem letzten Stichereignis
Urs: möglicher Abfall des spezifischen IgE durch das Stichereignis
Altn: 2 spezifische IgE-Bestimmungen: unmittelbar nach dem Stich und nach 4-6 Wochen
Pos: IgE-Anstieg durch die Allergenexposition ist diagnostisch zu verwerten
Th: - Karenz
- medikamentöse Notfallbehandlung (Notfallset rezeptieren)
- Hyposensibilisierung (s. unten) als Kausaltherapie
Prop: Hyposensibilisierung
Ind: - Allgemeinreaktionen/systemische Reaktion nach Stichereignis
- auch bei älteren Pat. mit Begleiterkrankungen (inkl. Mastozytose)
- bei Kindern < 16 Lj. mit rein kutanen anaphylaktoiden Stichreaktionen eher zurückhaltend
Erkl: Reaktionsstärke scheint bei weiteren Stichen meist nicht progredient
- hoher Expositionsgrad
Bsp: Imker, Bäcker, Gärtner
- positive Diagnostik (s. oben)
So: - Doppelsensibilisierung oder diagnostische Unklarheit
Proc: Bei Unklarheit, ob eine Bienen- oder Wespengiftallergie vorliegt, kann die Hyposensibilisierung sequentiell mit beiden Giften durchgeführt werden, wobei mit dem vermutlich stärkeren Allergen begonnen werden sollte. Die Hyposensibilisierung gegen das zweite Gift beginnt nach Erreichen der Erhaltungsdosis des ersten Gifts.
- Hummelgiftallergie: Hyposensibilisierung mit Bienengift
- Hornissengiftallergie: Hyposensibilisierung mit Wespengift
Wirk: Die Effektivität der Hyposensibilisierung ist für Bienen- und Wespengift sehr hoch und dosisabhängig. Die Erfolgsquote (Verhinderung systemischer Reaktionen bei neuerlichem Stich) liegt für Wespengift bei annähernd 100%, für Bienengift bei ca. 80%.
Allg: Wespen geben pro Stich etwa 3-10 Mikrogramm Gift ab, Bienen bis zu 200 Mikrogramm
Dos: Nach der Einleitung (beim Schnellverfahren unter stationären Bedingungen, s. unten) wird ein Depotpräparat in monatlichen Abständen injiziert. Die Erhaltungsdosis beträgt i. d. R. 100 Mikrogramm (1 ml); bei besonderer Exposition oder schweren Reaktionen in der Vorgeschichte bzw. unter laufender Hyposensibilisierung kann die Erhaltungsdosis (insbes. von Bienengift) individuell auf 200 Mikrogramm alle 4 Wochen erhöht werden.
CV: Bei Intervallüberschreitung muss die bei der nächsten Sitzung zu applizierende Dosis ggf. reduziert werden: ab 8 Wochen-Intervall 75%, ab 10 Wochen-Intervall 50%, ab 12 Wochen-Intervall 25%, ab 14 Wochen-Intervall 10%
Proc: s. Hyposensibilisierung (Richtlinien entsprechen den Inhalationsallergien): Nach 5 Jahren sollten RAST (bleiben meist auf gleicher Höhe) und Hauttest kontrolliert werden. Bei ähnlicher Schwelle im Hauttest sollte die Hyposensibilisierung um 2 Jahre verlängert werden.
Aus: Bei Pat. mit Mastozytose und/oder erhöhter basaler Mastzelltryptase im Serum sowie bei Pat. mit Einnahme von Beta-Blockern oder ACE-Hemmern während der Erhaltungstherapie wird eine lebenslange Hyposensibilisierung empfohlen.
CV: - Alkoholkarenz und Sportverzicht am Tag der Injektion; Pausieren der Hyposensibilisierung bei febrilen Infekten oder anstehenden Impfungen
- Verzicht auf Beta-Blocker, ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten
Aus: vitale Indikation
Proc: Ersatz o. g. Substanzen während der Steigerungsphase der Hyposensibilisierung durch Alternativpräparate, dann erneutes Ansetzen der Kardiaka nach Erreichen einer stabilen Erhaltungstherapie
Note: Eine Studie von 2021 deutet darauf hin, die Einnahme von β-Blockern oder ACEI weder die Häufigkeit systemischer Nebenwirkungen während der spezifischen Immuntherapie erhöht noch systemische Stichreaktionen aggraviert. Darüber hinaus beeinträchtigten diese Medikamente nicht die Wirksamkeit der spezifischen Immuntherapie.
Lit: Allergy. 2021 Feb 19. http://doi.org/10.1111/all.14785
- Hohe Serum-Tryptase-Spiegel sind prädiktiv für systemische NW im Rahmen der Hyposensibilisierung
Lit: J Allergy Clin Immunol. 2009 Nov;124(5):1047-54; J Investig Allergol Clin Immunol. 2011;21(4):260-9
Etlg: Es existieren verschiedene Dosierungsschemata bis zum Erreichen der Erhaltungsdosis von 100 Mikrogramm:
- Ultrarush: 1,5 Tage stationär
- Rush: 4-15 Tage stationär
Bed: GS
Mat: - wässriges Allergenextrakt zur Einleitung
Phar: Bitte registrieren / anmelden
- Depot-Präparat zur ambulanten Fortsetzung
Phar: Bitte registrieren / anmelden
Meth: Verlängerung der Injektionsintervalle der Erhaltungsdosis um jeweils 1 Woche bis zum Erreichen von konstanten Intervallen alle 4 Wochen
- Cluster: 29 Tage ambulant
- konventionell: 7-15 Wochen ambulant