Scharlach
Scharlach
Syn: Scarlatina
Engl: Scarlet fever, Streptococcal sore throat with rash
Histr: Erstbeschreibung durch Sydenham im Jahre 1661
Def: kleinpapulöses, zierstecknadelkopfgroßes generalisiertes Exanthem durch erythrogenes Toxin der beta-hämolysierenden A-Streptokokken bei fehlender antitoxischer Immunität (Frühere Infektionen hinterlassen nur antitoxische, nicht antibakterielle Immunität.)
Inf: Tröpfcheninfektion (selten andere Infektionswege wie z. B. über Hautwunden)
Pg: Das erythrogene Toxin wird von lysogenen A-Streptokokken produziert, d. h. der Bauplan wird von Virus-DNA abgelesen, die in das Bakteriengenom eingebaut wurde. Scharlach wird zu den Superantigen-vermittelten Dermatosen gezählt. Superantigen ist das erythrogene Toxin, das sowohl an HLA-II-Antigene von antigenpräsentierenden Zellen (APC) bindet, und zwar außerhalb der typischen Peptidmulde, als auch an monomorphe, d. h. konservierte Sequenzen der hypervariablen Regionen der beta-Kette von T-Zell-Rezeptoren (TCR V beta region). Durch die trimolekulare Vernetzung (MHC/superantigen/TCR complex) wird eine große Anzahl unterschiedlicher T-Zell-Klone unspezifisch überaktiviert, d. h. ohne Rücksicht auf die antigene Spezifität von T-Zellen, sondern abhängig von der Komposition ihrer variablen Region der beta-Kette. Ein Prozessing der Superantigene durch die APC entfällt. Eine gezielte Immunantwort bleibt also zunächst aus und bietet für den Keim wahrscheinlich einen Selektionsvorteil. Neben der unspezifischen T-Zell-Proliferation werden Zytokine freigesetzt, die für die Symptome verantwortlich gemacht werden. Die T-Zellen sterben per Apoptose nach Superantigen-vermittelter Zytokinfreisetzung.
Note: - Der in Strept. pyogenes integrierte, friedliche Bakteriophage wird Prophage genannt.
- Auch bei der Diphtherie wird die Fähigkeit zur Toxinbildung durch einen Prophagen übertragen.
- Als Superantigen-vermittelte Krankheiten werden diskutiert: Scharlach, TSS, rheumatisches Fieber, Psoriasis guttata, Kawasaki-Syndrom, atopische Dermatitis
So: Staphylokokkenscharlach
KL: scarlatiniformes (= scharlachartiges), kleinpapulöses Exanthem, aber ohne Paryngitis, Tonsillitis oder Enanthem (Erdbeerzunge)
Th: Flucloxacillin über mind. 5-7 Tage
Vork: meist Kinder bis zum 10 Lj.
Note: Neugeborene besitzen 6 Monate lang mütterlichen AK-Schutz
Ink: 2 Tage
Merk: "Scharlach kommt schnell"
KL: - Scharlachenanthem
- starke Allgemeinsymptomatik:
KL: plötzlicher stürmischer Beginn mit Halsschmerzen, hohem Fieber, regionäre Lymphadenopathie (nicht: generalisiert)
- Angina tonsillaris
Bef: dunkelroter Pharynx, vergrößerte und gerötete Tonsillen (nicht: Bronchitis)
- Erdbeerzunge
Bef: prominente rote Papillen durchstoßen den anfänglich weißen Belag
DD: Hunter-Glossitis
Ät: perniziöse Anämie bei chronischer atrophischer Gastritis Typ A
Pg: Vit.-B12-Mangel durch Fehlen des intrinsic factors
KL: glatte, atroph wirkende Zunge, deren Sulkus braun-rot gefärbt ist
- Scharlachexanthem
Man: 1-2 Tage nach dem Enanthem
Bef: kleinpapulöses, zierstecknadelkopfgroßes, gelbrötliches, generalisiertes, nichtkonfluierendes Scharlachexanthem
Lok: - Beginn am Hals, Ausbreitung über Stamm und Extremitäten mit Beugenbetonung
Note: Pastia- Zeichen = lineare Petechien in den großen Körperfalten
- Wangenerythem
- Aussparung der Palmoplantar- und Perioralregion
Verl: Abblassung nach 4 Tagen, gefolgt von starker Schuppung, bes. palmoplantare Exfoliation ("handschuhartige Desquamation")
DD: - akrales Peeling-Syndrom der Haut
Engl: acral peeling skin syndrome
Pg: erhöhte proteolytische Aktivität (Transglutaminase 5)
Lit: J Invest Dermatol. 2017 Apr 7. pii: S0022-202X(17)31403-3
Gen: Mutationen im CDSN-Gen (Corneodesmosin)
Lit: J Dermatol. 2019 Oct 29. http://doi.org/10.1111/1346-8138.15136
Ass: Hypotrichosis simplex des Kapillitiums
Note: Es existiert auch ein generalisiertes Peeling skin-Syndrom (Typ B)
Lit: Pediatr Dermatol. 2022 Feb 17. http://doi.org/10.1111/pde.14939
- Acta Derm Venereol. 2024 Apr 9;104:adv24305. http://doi.org/10.2340/actadv.v104.24305
- humane Parechovirus 3-Infektion (HpeV3)
Vork: meist Neugeborene und Säuglinge
KL: Fieber, nach 3 Tagen meist extremitätenbetontes Exanthem mit distinktem palmoplantarem Erythem über ca. 3 Tage
Kopl: ggf. Intensivstation mit Beatmung aufgrund kardiovaskulärer Instabilität
Kopl: - toxischer oder septischer Verlauf (insbes. Endomyokarditis und Meningitis)
- tonsillärer Abszess, Otitis media, Lymphadenitis
- streptokokkenallergische Nacherkrankungen:
- rheumatisches Fieber (s. dort)
- Poststreptokokken-Glomerulonephritis
- Sinusvenenthrombose
- Chorea minor
Di: - Nasen-Rachen-Abstrich
Meth: - Nachweis des Streptokokken-Antigens mittels Schnelltest
- Kultur
- Blut
Bef: - 4-facher Titeranstieg von ASL und ADB
CV: ASL erhöht bes. bei Racheninfektion und rheumatischem Fieber; ADB erhöht bes. bei Hautinfektion und Glomerulonephritis
- Leukozyten mit basophilen Schlieren
- Eosinophilie
- Urin
Frag: Kontrolle auf Hämaturie (2 Wochen nach Krankheitsbeginn)
Bed: Die intrainfektiöse Mikrohämaturie ist harmlos; die postinfektiöse Mikrohämaturie zeigt jedoch eine akute GN an.
- Rumpel-Leede-Test
Histr: Theodor Rumpel (1862-1923), Internist in Hamburg
Meth: Aufpumpen der Blutdruckmanschette 10 mmHg oberhalb des diast. Drucks über 5 min
Erg: Auftreten von Petechien am Unterarm
Bed: Hinweis auf Kapillarstörungen und evtl. Thrombozytopenie
Prog: Möglichkeit der Zweiterkrankung
Vork: in 1-4% d. F.
Urs: Existenz von 3 Varianten des erythrogenen Toxins (A, B, C)
DD: - mukokutanes Lymphknotensyndrom Kawasaki
- Dengue-Fieber
Th: Schulverbot und ggf. prophylaktische Mitbehandlung von Kontaktpersonen bzw. im Haushalt lebender Kinder oder Immunsupprimierter sind zu beachten.
Stoff: Penicillin V
Phar: Bitte registrieren / anmelden
Dos: 4x/Tag 250 mg bzw. 3x/Tag 0,4-1,2 Mio I.E. für 10 Tage
Bed: vor allem als kardialer Schutz
Altn: - Erythromycin
Ind: Penicillinallergie
Dos: 3-4x/Tag 500 mg bzw. für Kinder 40 mg/kg/Tag
- Clindamycin
Dos: 4x/Tag 150-450 mg
Prop: Expositionsprophylaxe mit Penicillin V
Note: keine Impfung verfügbar