Vaskulitis

Def: Die Vaskulitis ist eine durch Entzündung und Zerstörung der Blutgefäße charakterisierte Erkrankung. Die Gefäßlumina sind zumeist verengt; die klinischen Befunde ergeben sich aus den ischämiebedingten Reaktionen im Versorgungsgebiet der Gefäße. Immunologischerseits handelt es sich meist um Typ-III-Reaktionsformen, also humoral vermittelte, verzögertallergische Immunkomplexreaktionen ca. 6-12 h nach Antigenexposition oder um ANCA-assoziierte, komplementunabhängige Vaskulitiden.

Anat: anatomische Struktur von Blutgefäßen (von luminal nach peripher):

- Endothel = Tunica intima

- muskuläre Tunica media

- bindegewebige Tunica adventitia

Pg: 2 Hauptwege der Aktivierung neutrophiler Granulozyten:

- Bildung von Immunkomplexen aus Antikörpern (IgG, IgM, IgA) und Antigen, Präzipitation an Gefäßendothelien und nachfolgende Aktivierung des Komplementsystems. Vergleichbare Effekt werden durch Präzipitate monokloner Paraproteine erzielt.

Note: Die Bindung der Immunkomplexe an Endothelien ist Ausdruck einer überschrittenen Clearance-Kapazität durch das RES (Leber, Milz, Makrophagen).

- ANCA-assoziierte Vaskulitiden haben die immulogische Gemeinsamkeit, dass sie sich (i. G. zu den Immunkomplexvaskulitiden) ohne Komplementverbrauch manifestieren und keine Immunkomplexablagerungen zeigen (pauciimmune Vaskulitiden). ANCA führen durch Aktivierung (Degranulation) und Adhäsion neutrophiler Granulozyten an Endothelzellen bzw. ECM zur nekrotisierenden Vaskulitis. ANCA-assoziierte Vaskulitiden neigen ferner zur Granulombildung.

- Daneben treten auch Antikörper auf, die direkt gegen die Endothelien gerichtet sind (AECA, insbes. beim Kawasaki-Syndrom). Neben den Akronymen cANCA und pANCA existieren aANCA (MPO-negative pANCA), deren Zielantigen bisher noch unbekannt sind und die als assoziierte Erkrankungen v. a. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und primär sklerosierende Cholangitis zeigen.

Note: Die Ätiopathogenese der lymphozytären Vaskulitis (chronische Pigmentpurpura) ist weitgehend ungeklärt.

Allg: Das pathophysiologische Verständnis der Vaskulitiden ist in den letzten Jahren explodiert durch Charakterisierung der Adhäsionsmoleküle, durch deren Aktivierung die Entwicklung einer Vaskulitis in verschiedene Phasen eingeteilt werden kann.

PPh: Entzündung: Gefäßdilatation der postkapillären Venolen, dadurch Abnahme der Blutflussgeschwindigkeit, dadurch Verlagerung des Leukozytenstroms vom Mittelpunkt des Gefäßdurchmessers zur Gefäßwand (diese exprimiert Selektine, welche bei Bedarf induzierte Adhäsionsmoleküle darstellen), dadurch Bindung der E- und P-Selektine an verschiedene Derivate der Lewis(a)- und Lewiscancel-Trisaccharide der Leukozyten (diese ersten Protein-Kohlenhydrat-Bindungen zwischen Endothel und Leukozyten sind zunächst noch schwächer als die Scherkräfte des Blutstroms), dadurch Leukozytenrollen an der Gefäßwand, dadurch Aktivierung der Leukozyten durch Faktoren aus Endothel und Gewebe (IL-1, IL-8, TNF: Reagibilität der Leukozyten auf diese Faktoren ist erst durch das langsame Rollen gegeben), dadurch Exprimierung von Integrinen (LFA-1, Mac-1, VLA-4) durch die Leukozyten, dadurch Leukozytenadhäsion durch endotheliale Expression von Adhäsionsmolekülen aus der Superimmunglobulinfamilie (ICAM-1, unter Entzündungsbedingungen auch VCAM-1), dadurch Diapedese und Migration zum Entzündungsort

Merk: Das Leukozytenrollen ist selektinvermittelt; Adhäsion und Diapedese sind integrinvermittelt.

Etlg: Sekundäre Vaskulitiden (im Rahmen von Kollagenosen, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, Infektionskrankheiten, Neoplasien oder Medikamenteneinnahme) sind wesentlich häufiger als primäre Vaskulitiden. Es existieren verschiedene Möglichkeiten der Klassifizierung nach primär dermatologischen oder rheumatologischen Kriterien.

- Entzündung der großen Arterien (Aorta und von ihr abgehende Gefäße)

Pa: Riesenzellarteritis

Bsp: - Takayasu- Riesenzellarteriitis

- Riesenzellarteriitis temporalis Horton und Polymyalgia rheumatica

- Mesaortitis luetica (Vasa vasorum)

- Entzündung der mittleren Arterien

Pa: nekrotisierende Systemvaskulitiden

Bsp: - Wegener Granulomatose

- Panarteriitis nodosa (und mikroskopische Polyarteriitis)

- Churg-Strauß-Syndrom

- mukokutanes Lymphknotensyndrom Kawasaki

- Entzündung der kleineren Gefäße (Arteriolen, Venolen und Kapillaren)

Pa: leukozytoklastische Vaskulitiden mit variabler Systembeteiligung

Bsp: - Vasculitis allergica (inkl. Purpura Schönlein-Henoch)

- Erythema elevatum et diutinum

- Urtikariavaskulitis

- Kryoglobulinämie

So: venöse Vaskulopathie

Note: Vaskulitis ist eher eine Fehlbezeichnung

Bsp: - Livedo racemosa

- Sneddon-Syndrom

- Entzündung von Hautgefäßen ohne Systembeteiligung

Pa: kutane Vaskulitis

Bsp: - lymphozytäre Vaskulitis

Syn: Pigmentpurpura, chronische

- Erythema induratum Bazin

Syn: Nodulärvaskulitis

Lab: - allgemeine Laborparameter

- BSG erhöht

- CRP erhöht

- Thrombozyten erhöht

- zirkulierende Immunkomplexe

- ANA

- spezielle Laborparameter

- cANCA

Ass: - Wegener Granulomatose

- Churg-Strauss-Syndrom

- pANCA

Ass: - diagnostische Relevanz für:

- mikroskopische Polyarteriitis

- Churg-Strauss-Syndrom

- Epiphänomen bei:

- Kollagenosen

- rheumatoide Vaskulitis (primär chronische Polyarthritis inkl. Felty-Syndrom)

- HBs-AG

Ass: Panarteriitis nodosa

- Eosinophilie

Ass: Churg-Strauß-Syndrom

- Neutrophilie

Ass: Sweet-Syndrom

- Kryoglobuline

Ass: Kryoglobulinämie

- Anti-ds-DNA

Ass: SLE

- Anticardiolipin-Ak = Antiphospholipid-Ak

Ass: gleichnamiges Syndrom im Rahmen eines SLE, einer Livedo racemosa oder eines Sneddon-Syndroms

- Komplementfaktoren erniedrigt

Ass: leukozytoklastische Vaskulitiden

- Drogenscreening im Urin

Note: insbes. Fälle von Levamisol-kontaminiertem Kokain-Abusus sind beschrieben

Lit:  

Th: - diverse Immunsuppressiva

- Immunglobulinmischungen

Hyp: Interaktion der exogenen Immunglobuline mit antiidiotypischen Autoantikörpern der Pat. und konsekutive Verhinderung der Bildung von Immunkomplexen bzw. der Bindung von ANCA an neutrophile Granulozyten

- Rituximab

Lit: Arthritis Rheum. 2009 Jul;60(7):2156-68

Ind: ANCA-assoziierte Vaskulitiden

- Avacopan

Def: niedermolekularer C5a-Rezeptorantagonist (C5aR = CD88) mit Hemmung der komplementbedingten Neutrophilen-Aktivierung

Ind: ANCA-assoziierte Vaskulitiden

Co: Rituximab oder Cyclophosphamid

Appl: oral

NW: Transaminasenanstieg, Leukopenie, Lymphopenie, erhöhte Infektgefahr, erhöhtes kardiovaskuläres Risikio, Cephalgien, gastrointestinale Nebenwirkungen, Angioödem

  

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